miryam abebe

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Copy and paste...

Seit ein paar Tagen lässt mich der Gedanke nicht los und ich frage mich, ob ein "copy and paste" funktioniert. Beim Schreiben von Texten klappt das ganz gut. Ich markiere ein Wort, drücke die Tasten "CTRL" und "c", setze den Cursor an den gewünschten Ort und drücke die Tasten "CTRL" und "v" und fertig. Ein einfacher Vorgang, den ich x-fach am Tag mache. Bei der Frage, die im Moment in meinem Kopf ihre Runden dreht, geht's aber nicht um einen Text, es geht um ein Kultur- und Kunstprojekt.

Es war ein spannendes Erlebnis bei der Kettenreaktion 2016, diesem Kultur- und Kunstprojekt auf einer verlassenen Industriebrache (Areal der 2008 stillgelegten Zellulosefabrik in Attisholz) dabei zu sein. Klar, so etwas noch einmal zu erleben wäre wunderbar. Besonders, wenn diese Brache europaweit zu einer der Grössten zählt und in unmittelbarer Nähe, wo ich wohne ist. Die Kettenreaktion 2016 auf dem Zellulose Art Campus mit Kunstschaffenden aus der Region Solothurn, der ganzen Schweiz und aus dem Ausland war für mich ein Höhepunkt im vergangenen Jahr – für viele andere auch. So auch für einige von uns aus dem Künstlerhaus S11 in Solothurn.

"Copy and paste" ist beim Schreiben ganz einfach. Ist es denn auch einfach ein Kultur- und Kunstprojekt von einer Industriebrache in ein Altstadthaus zu kopieren? Ganz bewusst verwende ich das Wort kopieren, denn das System bleibt gleich. Es werden Kunstschaffende aus der Region Solothurn, der Schweiz und dem Ausland eingeladen, um neue Werke (bildende Kunst, Fotografie, darstellende Kunst und Musik) entstehen zu lassen. Wie auf der Industriebrache wird Material zur Verfügung gestellt – Material, welches das Haus bietet. Wenn ich an das Material denke, kommt mir unweigerlich der Gedanke, dass wir diesen Prozess auch gleich zum Ausmisten nutzen könnten. Das Künstlerhaus S11 bietet alte Leinwände, Fellläden (die nicht mehr genutzt werden können, da sie nicht mehr passen), Farbreste, Holzabfälle und ganz viel Papier. Beim Papier kommt gleich der nächste Gedanke; sind es zu viel gedruckte Einladungskarten, Magazine oder doch aus kultur- und kunsthistorischer Sicht erhaltenswerte Dokumente? Diese Frage lasse ich im Raum stehen…

Die Voraussetzungen sind anders, deshalb wird das "Copy and paste" nicht funktionieren. Das "copy and paste" muss zur Adaption werden und andere, neue Prozesse in Gang setzen. Wie so oft diskutiert und überlegt, soll der Kontakt zu den Nachbarn (Geschäfte und Anwohner) gefördert und verbessert werden. Die Kettenreaktion, ein lebendiger Prozess ist die Gelegenheit den Kontakt mit den Nachbarn (wieder) aufzunehmen. Die passive Haltung der Umgebung gegenüber muss sich zu einer aktiven und offenen Kommunikation wandeln - auch dafür kann die Kettenreaktion genützt werden. Deshalb muss der Prozess zu Beginn sichtbar sein und publik gemacht werden. Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen und diese Gelegenheit müssen wir nutzen und die Menschen einladen und ihnen zeigen was im Künstlerhaus alles möglich ist.

Kettenreaktion 2016: Kunstschaffende aus der Region Solothurn, der Schweiz und dem Ausland inszenierten während drei Monaten das Areal der ehemaligen Zellulosefabrik Attisholz. Vom 28. bis 30. Oktober 2016 wurde die Brache während einem Symposium für Besucher und Besucherinnen geöffnet. Rund 1500 Interessierte hatten sich über alle Facetten der erschaffenen Situation ausgetauscht.

Das Künstlerhaus S11 ist ein Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst. Das Haus in der Solothurner Altstadt existiert seit 1978 als Zentrum und Treffpunkt fürKunstinteressierte und Kunstschaffende.

Der Verein Beneath The Surface (BTS) hat die Idee "Kettenreaktion 2016" auf dem still gelegten Areal der Zellulosefabrik Attisholz initiiert. BTS fördert Kunst und Kultur im öffentlichen Raum.